Beatrix Zobl: Das ozeanische Gefühl

In dieser Arbeit mit fotografischem Kontaktverfahren sind der menschliche Körper, Knochen, Fischskelette, Plastik, etc. meine Arbeitsmittel. Der Titel der Serie findet sich Sigmund Freuds kulturtheoretischen Text „Das Unbehagen in der Kultur“. Ursprünglich ein Ausdruck aus einem Briefwechsel mit Romain Rolland über „Religion als Illusion“ verwendet ihn dieser, um die Quelle selbst, also den grundsätzlichen Wunsch nach etwas Unbegrenztem und zugleich mit der Außenwelt Verbundenem zu bezeichnen „[...] auch wenn man jeden Glauben und jede Illusion ablehne“. Freud konnte damit wenig anfangen und der Begriff blieb letztlich ungeklärt. In meinem Projekt bezieht sich „Das Ozeanische Gefühl“ nicht (nur) auf den Ozean bzw. auf das Mittelmeer, sondern grundsätzlich auf die Frage nach dem Verhältnis von Leben und Tod. Darüber hinaus beziehe ich diese Metapher auf das „Ich“, das sich von der Außenwelt abscheidet, wie auch auf sein Gegenteil: die Sehnsucht nach einer Verbundenheit des „Ichs“ mit seiner Umwelt. Es geht um den Umgang mit Kontrolle und Kontrollverlust, Absicht und Zufall bzw. um die Lust daran, aber auch das Aushalten von Frustration und Vulnerabilität, die Bestandteile//Facetten dieser Serie sind. Darüber hinaus gibt es materielle und mediale Aspekte. Die Auseinandersetzung mit dem Blatt bezieht sich auf den Akt der Wahrnehmung im fotografischen Prozess und der „Doppelung“ des „Bedeutungsgehalts“ (H. Blumenberg) von Körpern/Dingen, denn die fotografische Arbeit findet immer in einem Feld der doppelten Bezüge und des doppelten Bodens statt. Gemeint ist hier das spezielle Verhältnis fotografischer Verfahren zu der von uns wahrgenommenen Wirklichkeit, die als solche im Bild erscheint und doch immer nur ein Abbild/Verweis darauf sein kann.
Das ist vielleicht auch die Ursache für die Faszination wie auch die Enttäuschung, die das fotografische Bild sowohl bei der Herstellung, wie bei der Rezeption, auszulösen vermag.
Zudem thematisieren die Arbeiten das interaktive Verhältnis zum Bild an sich: in das Bild und aus dem Bild kommen und im Bild bzw. mit dem Bild und Blatt zu agieren. Die physikalischen Voraussetzungen der Fotografie, lichtempfindliche Oberfläche, Licht/Schatten und Belichtungsprozess gelten nicht nur für die Benützung von Kameras mit Objektiven, sondern machen auch deutlich, dass jede zu Papier oder auf ein anderes Material gebrachte Ablichtung ein (Ab)Druckverfahren ist. Der Prozess wird von vielen Unvorhersehbarkeiten und Unwägbarkeiten geprägt: dem Wetter, der Art der Sonneneinstrahlung, der verwendeten Rezeptur der Chemikalien, der unterschiedlichen Wirkung auf die Papiere, die nie an allen Stellen gleich reagieren. Die Beschichtung mit chemischen Substanzen, starke Sonneneinstrahlung, körperliche und andere Substanzen und die anschließende lange Wässerung hinterlassen „Zäsuren“ wie Abschürfungen, Druckstellen, unebene Stellen und Farbschattierungen. Anders als die klassische//konventionelle Fotografie mit Kameras, Objektiven und Filmen oder digitalen Speicherträger sind diese Arbeiten grundsätzlich nicht vervielfältigbar. Sie sind Ergebnisse diskreter Prozesse, deren Unplanbarkeit und Unvorhersehbarkeit die Möglichkeit impliziert Unikate herzustellen.